Was verbindet eine Postkarte aus den 60’er Jahren mit der „Golfnationalmannschaft“ der DDR?
Auf einer Flohmarktplattform tauchte im Januar 2022 eine Postkarte auf, die am 07.05.1962 in Lindau am Bodensee aufgegeben worden war, wovon u.a. der Stempel „Besucht Lindau (Bodensee) Internationale Spielbank – ganzjährig geöffnet“ zeugt. Doch nicht die hier beworbene Spielbank ziert das Motiv der Vorderseite, sondern ein Luftbildfoto des „Golfplatzes Lindau i.B. Bad Schachen“.
Die Anlage
Auf dem schwarz-weißen Foto ist die gesamte Anlage der 60’er Jahre erkennbar: 9 Bahnen gruppieren sich um einen Gebäudekomplex in der Mitte der Abbildung. Bei diesen Häusern handelt es sich um das Schloss Schönbühl samt Nebengebäuden. Über das Foto ist eine Grafik gelegt, die den Verlauf von insgesamt 9 Bahnen und deren fortlaufende Nummerierung angibt. Demnach verliefen die ersten 5 Bahnen nördlich und nord-westlich des Schlosses. Die Bahnen 6, 7 und 8 waren parallel südlich-westlich angelegt, wohingegen die 9. Bahn quer zu den letzten drei wieder zum Ausgangspunkt zurücklief.
Eine tabellarische Übersicht im rechten Teil der Postkarte gibt Aufschluss über die Par-Verteilung sowie die Längen der Bahnen: Demnach verfügte der Golfplatz über 2 Par3 Bahnen, 5 Par4 Bahnen sowie 2 Par5 Bahnen und entsprach damit der üblichen Lochverteilung vergleichbarer Anlagen. Die Gesamtlänge der Anlage betrug 2920 Metern bei einem Par36 9-Loch-Kurs.
Die Anfangsjahre
Die Geschichte des Golfplatzes beginnt Anfang der 50’er Jahre des 20. Jahrhunderts. Hatte man noch in den 20er Jahren vergeblich nach einem passenden Gelände gesucht, so waren die Anhängerinnen und Anhänger des Golfsports in Lindau nach dem Krieg erfolgreicher. Rund um das Schloss Schönbühl wurde die 9-Lochanlage in eine parkähnliche Landschaft gebaut. Als Golfplatzarchitekt wurde kein geringerer als Bernhard von Limburger engagiert, ehemaliger deutscher Amateurgolfer, auf den ungefähr 70 Golfanlagen in Deutschland zurückgehen. Limburger setzte in seinen Designs u.a. bevorzugt Bäume als Hindernisse ein, mal mitten auf den Fairways, mal als Baumreihen die Bahnen begleitend. Auf dem Luftbild können diese Gestaltungselemente in unterschiedlichen Ausführungen gut nachvollzogen werden. Der Bau des Platzes begann 1954, Eröffnung war im Jahr 1956. Ein Greenfee betrug damals 5 DM, Caddies wurden mit 1,25 DM pro 9 Loch entlohnt. Ab 1957 konnte mit Unterstützung des Grafen Nemes das Schloss Schönbühl als Clubhaus genutzt werden. Das „Golfmagazin“ beschrieb das damalige Setting wie folgt: „Es war ein Ambiente, das in Deutschland nicht oft zu finden war: das Schloss im Hintergrund, die alten Bäume auf dem leicht welligen Golfplatzgelände davor.“ (www.golfmagazin.de – 24.11.2007)
Die Entwicklung
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde die Anlage mehrfach umgestaltet und erweitert. Zunächst in den 70’er Jahren auf 14 Loch und 1984 auf 18 Loch. Federführend hierfür war Clubmitglied Kurt Roßknecht, der in den 80’er und 90’er einer der erfolgreichsten deutschen Golfplatzdesigner war. Im Eröffnungsjahr 1984 gab sich Golfprofi Bernhard Langer die Ehre. Er spielte vor circa 1000 Zuschauer eine erfolgreiche Runde mit 4 unter Par. Durch den Bau der B31 in den 90’er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Anlage in zwei Teile geteilt, wodurch die Bahnen 9 bis 15 sowie die Driving Range nun jenseits der Bundesstraße lagen. Das Gelände der ursprünglichen 9 Bahnen wurde weiterhin in die Anlage integriert, auch wenn die Bahnen weitegehend umgestaltet und den modernen Ansprüchen ambitionierter Golferinnen und Golfer angepasst wurden. Ende der 80’er Jahren musste aufgrund der Baufälligkeit des Schlosses Schönbühl ein neues, modernes Clubhaus gebaut werden, das 1989 fertiggestellt wurde. Neben dem Schloss bzw. der Villa Schönbühl entstand eine Seniorenresidenz.
Ein besonderes Gastspiel
Ein Jahr nach dem Mauerfall im Jahr 1989 erhielt der Golfclub Lindau als Austragungsort der 16. Internationalen Gemsichten Vierer-Meisterschaften der Amateure besonderen Besuch: 1987 hatten sich golfinteressierte Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in Marienbad, im heutigen Tschechien, zum Golf spielen auf einem der wenigen Golfplätze im Osten getroffen. Im Zuge des Treffens wurde ausgelotet, ob ein Golfclub innerhalb der Grenzen der DDR gegründet werden könne. Treibende Kraft war der Offizier Bernd Rudolph, der bereits seit den 70’er Jahren im Ausland Golf spielte. Jedoch war in der DDR Golf als „bourgeoiser Blödsinn“ (Erich Honecker) und „Elitensport“ verpönt. Dennoch schafften es Rudolph und seine Mitstreiter am 28.10.1989 die „Erste Allgemeine Sportgruppe Golf der DDR“ zu gründen. Man schloss sich der „Betriebssportgruppe Robotron Dresden-Mitte“ an und wurde für 1990 mit Geldmitteln ausgestattet.
Nachdem am 21.04.1990 der „Deutsche-Golf-Verband der DDR“ aus der Taufe gehoben und international anerkannt wurde, erhielten die Ost-Golfer eine Einladung zur 16. Internationalen Gemischten Vierer-Meisterschaft, der sie gerne nachkamen. So startete im Mai eine „Golfnationalmannschaft“ der DDR bei den Wettkämpfen in Lindau: Adelheid Jäger, Renate Graf, Heinz Jäger und Bernd Rudolph spielten zwar außerhalb der Konkurrenz konnten sich jedoch als Pioniere des Golfsports in der DDR fühlen.
Der Kurs, auf dem sie ihre ersten internationalen Runden drehten, war zwar inzwischen moderner gestaltet als noch in den 60’er Jahren, dennoch spielten sie auf dem historischen Gelände und genossen sicher auch die viel gerühmte Aussicht auf die Berge und den Bodensee, wie vor ihnen schon so viele Golfbegeisterte seit den 50’er Jahren. Allerdings blieb dieser internationale Auftritt der einzige einer DDR-Golfnationalmannschaft, da sich der ostdeutsche und westdeutsche Golfverband noch im selben Jahr zusammenschlossen.
Abbildungsnachweise:
Abb. 1 Sammlung F. Biller, Telgte
Abb. 2 Sammlung F. Biller, Telgte
Abb. 3 https://www.1golf.eu/club/golf-club-lindau-bad-schachen-ev/
Abb. 4 100 Jahre Golf in Deutschland. Bd. 3 Familienzeiten 1949 bis 1990, hrsg. v. DGV, 2007, S. 144.
Abb. 5 100 Jahre Golf in Deutschland. Bd. 3 Familienzeiten 1949 bis 1990, hrsg. v. DGV, 2007, S. 153